Herbert Wagner, Lehrer in Berndorf von 1956 bis 1963, veröffentlichte 1980 eine bemerkenswerte Schrift über die „Flurnamen der Gemarkung Berndorf“.
Hierin finden sich verschiedene Hinweise, die die Geschichte der Lehmkaul betreffen. Zum einen weist Wagner darauf hin, dass schon im Rechnungsregister von 1674 über ältere Pachtsachen in Berndorf (seinerzeit im Pfarrarchiv Hillesheim) ebenso wie im Fluratlas von 1821 des Katasteramtes Hillesheim der Gewannename „Ahn der Leim Kaulen Vff dem Rege“ erwähnt wurde (Gewanne = Flurform, die durch eine besondere Bewirtschaftungsform und durch das Erbrecht gestaltet wurde. Sie war schmal und sehr lang, um mit dem Pflug möglichst selten wenden zu müssen).
Leime war das mittelhochdeutsche Wort für Lehm, mit Kaulen (mhd kule) wurde eine Senke oder Grube bezeichnet. Die Gewanne-Flur „An der Lehmkaul“ gehörte zur Flur 6 und war umgeben von den Gewanne-Fluren „Im langen Morgen“, „Auf dem Gretharsch“ und „Am langen Stein“.
In Berndorf gab es eine Werkstätte, wo Steine aus Lehm gebrannt wurden, wohl hauptsächlich für die Herstellung von Öfen. Der Flurname „Am Brennofen“ weist darauf hin, die Flur liegt, vom Dorf aus gesehen, rechts an der Straße nach Wiesbaum (noch heute zeichnet sich in trockenen Sommern die Stelle auf der Wiese ab, hier ist die Vegetation durch Bodenverdichtung noch etwas trockener als in der direkten Umgebung). Ebenfalls an der Straße nach Wiesbaum liegt die Flur „An der Erdkaul“, hier befand sich die Grube, wo bis Ende des 19. Jahrhunderts der Hauptbedarf an Lehm für den Brennofen gedeckt wurde. Ob auch Lehm aus der Lehmkaul im Brennofen verarbeitet wurde, ist nicht überliefert, aber denkbar wäre es angesichts der kurzen Entfernung zwischen Lehmkaul und Brennofen.
Hauptsächlich aber haben die Dorfbewohner in der Lehmkaul noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg Lehm für den eigenen Bedarf geholt; die Gefache der Fachwerkhäuser wurden mit Lehm gefüllt und die Böden in den Stallungen oder in Wohnräumen wurden mit gestampftem Lehm befestigt.
Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass in der Lehmkaul keine einzelne große Lehmgrube bestand, sondern viele kleine Gruben gegraben wurden. Die füllten sich mit Wasser, zwischen den Gruben siedelten sich Nässe liebende Pflanzen wie Weiden an, da durch den lehmigen Untergrund eine dauernde Staunässe vorlag. (Dies lässt sich noch heute gut beobachten, wenn man im Frühjahr über die benachbarten Wiesen läuft, und die Schuhe plötzlich sehr nass werden.)
Pflanzen, die für ihr Gedeihen nur eine brachliegende Fläche, ob nass oder trocken, benötigen wie Weißdorne und Schlehen, gesellten sich bald zu den Weiden dazu. Im Laufe der Zeit entstand ein Biotop, wo sich, nach übereinstimmender Erinnerung der älteren Berndorfer, eine artenreiche Amphibiengesellschaft von Kröten, Molchen und Feuersalamandern ansiedelte und wo Schilf und Rohrkolben wuchsen.
In den siebziger Jahren entschied man sich, mit dem Aushub der neuen Kanalisation die Tümpel in der Lehmkaul zu verfüllen und auch Bauschutt wurde jetzt hier entsorgt. Das war zu dieser Zeit allgemein so üblich, auch abgerissene Häuser wanderten teilweise komplett auf die Fläche (spätestens 1998 wurde die ungeregelte Müllentsorgung gesetzlich gestoppt).
Auch für Hausmüll fand sich in der Lehmkaul manch ein Plätzchen. So wurden 2020 und 2021 bei Grabungen Plastikbecher, Glasflaschen und vieles andere, was nicht verwittert, geborgen. Einmal fand sich sogar ein Eierbrikett, da hatte wohl jemand auf Öl umgestellt. Am nordwestlichen Rand hatte eine ganze Wagenladung mit den mutmaßlichen Überresten eines Polterabends auf dem Bauernhof seine letzte Ruhestätte gefunden. Porzellanscherben, Glassplitter, jede Menge Kronkorken und Antibiotikafläschchen gaben hiervon ein beredtes Zeugnis. Von großer Bedeutung für den Bewuchs in der Lehmkaul war auch die Tatsache, dass hier über Jahrzehnte bis zuletzt Gartenabfälle entsorgt wurden. Das allermeiste wurde im Laufe der Zeit zu Humus, aber ein paar Pflanzenarten mit starkem Überlebenswillen richteten sich in der neuen Umgebung ein.